Heide und Peter haben beide den Beruf eines Fernmeldemechanikers erlernt. Das Interesse an elektrotechnischen Sachverhalten
hat uns danach nicht mehr verlassen. Die technische Entwicklung auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik verlief so überwältigend
schnell, dass alles einst Erlernte an in kürzester Zeit seine Bedeutung verlor und auch guter Wille allein nicht mehr usreichte,
um gedanklich mit der Entwicklung auch nur einigermaßen Schritt zu halten.
Mit Dioden und Transistoren, mit Microelektronik und PC-Technik, mit dem Einzug der Lichtwellenleiter und der Glasfasertechnik vollzogen
sich atemberaubende Veränderungen in der Informationstechnik und eine weitgehend digitalisierte Volkswirtschaft bestimmt heute
unser Leben. Und auch die heutige Entwicklung bringt in immer kürzeren Zeitabschnitten immer neue technische Erkenntnisse hervor, deren
Einfluss auf die Gesellschaft und das Leben der Menschen zum Teil nicht einmal absehbar ist. Mit unserem stolzen Beruf "Fernmeldemechaniker"
verbinden sich heute für die meisten Menschen keine konkreten Inhalte, die von uns beherrschte analoge Vermittlungs- und Übertragungstechnik
hat im Zeitalter einer digitalen Gesellschaft längst ausgedient und nachdenklich lächelnd erleben wir unseren Beruf heute nur noch im Museum.
Und dennoch ist das Grundinteresse an unserem Beruf oder besser an den ihn bestimmenden Grundlagen der Elektrotechnik/Elektronik geblieben. Jetzt, im Alter und mit etwas mehr Zeit,
versucht man ein klein wenig mehr von der Entwicklung zu verstehen, die so über uns hinweggesaust ist. Bei Peter erwachte im Alter von fast 80 Jahren die Bastelleidenschaft mit elektronischen
Bauelementen. Die Möglichkeit, mit ein paar Programmierzeilen und einer Handvoll winziger Bauelemente Wirkungen zu erzielen, die mit analoger Technik unvorstellbar waren, ist faszinierend
und es ist schon erstaunlich, dass diese Faszination auch einen alten Rentner erfassen kann. Sie erinnert mich an früher von uns belächelte Rentner, die im hohen Alter plötzlich nicht mehr von ihrer
Modelleisenbahn wichen oder anfingen, neu an ihrem Motorrad zu schrauben. Und auch dann, wenn andere Menschen über solche Interessen vielleicht nur den Kopf schütteln können, kann es einen alten
Menschen glücklich machen, wenn er erst jetzt als Rentner den einen oder anderen Zusammenhang begreift, den er früher nicht verstanden hat. Und weil das so ist, zieht es Peter Tag für Tag an
seinen Computer, an den Lötkolben, das Steckbrett und an eine Vielzahl elektronischer Bauelemente. Und so, wie im früheren Berufsleben das Rattern von Wählern und Relais oder das Summen einer Ruf-und
Signalmaschine (RSM) zum Alltag gehörten, so erfreuen ihn heute blinkende LED's, schrift- oder graphikanzeigende Displays, selbsterstellte und auf Mikrocontrollern geladene Scripte oder eben auch diese
Homepage, die ein wenig Zeugnis von seinem Rentnerdasein ablegt.
Und dann kam zu dieser Bastelleidenschaft noch etwas hinzu:
Bei Besuchen Raphaels bei Oma und Opa in Weimar bemerkten wir das erstaunliche Interesse, dass Raphael beim Anblick von
Opas Bastelzimmer entwickelte. Raphael konnte schon vorher an keinem Lichtanschluß, keiner Wasserverteilung, keinem technischen
Gerät ohne Fragen nach dem Wie? Warum? Wiso? vorbeigehen. Und bei den Lichtchen auf Opas Schreibtisch leuchteten nun die Augen,
wollte er möglichst schnell das gleiche und das möglichst noch besser als der Opa tun.
Doch es war klar: Raphael besuchte zu jener Zeit die Klasse 2. Und da war es wohl für Elektronikexperimente wahrlich noch ein wenig zu früh. Und
das Interesse Raphaels währte auch nicht all zu lang. Er hatte mit Spielekonsolen, Skateboard, Fahrrad, Handy, elektrischer Eisenbahn und
vielem mehr genügend andere Beschäftigung und so bastelte Opa bald wieder allein weiter.
Inzwischen besucht Raphael die Klassenstufe 5 des Gymnasiums. Handy und Strategiespiele am PC bestimmen neben der Erledigung der schulischen Aufgaben hauptsächlich
seinen Tagesablauf. Und das Interesse an Elektrotechnik/Elektronik ist noch nicht zurückgekehrt. Aber bald werden die mathematischen und physikalischen Grundlagen,
die für eine erfolgreiche Elektronikbastelei erforderlich sind, Bestandteil der schulischen Anforderungen. Und auch die Möglichkeit, sich in der Schule mit den Grundlagen
der Informatik zu beschäftigen und erste Schritte der Programmierung zu gehen, rücken schnell näher.
Bei eigenen Besuchen im Fernmeldemuseum Mühlhausen kam uns der Gedanke, einen solchen Besuch einmal gemeinsam mit Raphael zu wiederholen und dabei an sein ehemals
vorhandenes Interesse anzuknüpfen. Gesagt, getan! Und Raphael war begeistert. Er staunte über das Klappern der elektromechanischen Fernmeldetechnik, über die wie
von Geisterhand gesteuerten Relais und Wähler, telefonierte mit allem, was zum Telefonieren geeignet war, hämmerte auf dem Fernschreiber mit Lochstreifensender
herum, bestaunte Kabel und Leitungen. Und er schwärmte davon "dass man sich im Keller sogar einen Stromschlag" holen" könne.
Und plötzlich schwärmte Raphael, wenn auch nur für kurze Zeit, wie früher wieder davon, irgendwann mal selbst programmieren zu können und Handlungsabläufe nach seinem Willen
zu gestalten. Was liegt bei diesen Wünschen näher als die möglichst frühe Beschäftigung mit der Elektronik und das zunächst spielerische, später systematische Erlernen des
Programmierhandwerks?
Bleiben wir also optimistisch: Die Zeit, bis er in Klassenstufe 7 erste Kontakte mit Grundkenntnissen in Physik und Chemie erlangt und in Mathematik um die Bedeutung von Gleichungen weiss,
ist nicht mehr lang. Und deshalb ist es vielleicht noch immer einen Versuch wert, an seinen technischen Interessen anzuknüpfen und es mit einem "selbstgestrickten Elektronikbaukasten" zu
wagen.
Dieser Baukasten ist kein Spielzeug. Er kann Raphael dabei helfen, in die Welt der Elektronik und der Programmierung mit spielerischen
Mitteln einzusteigen. Er kann dabei helfen, die in der Schule vermittelten Kenntnisse zu vertiefen und sie mit praktischen Tätigkeiten und eigenen Erfahrungen zu verbinden.
Und auch wenn wir wissen, dass es sich nur um einen Versuch handeln kann, dessen Ausgang offen ist, meinen wir: Vielleicht lohnt sich der Aufwand für die Erstellung des
Baukastens im Sinne einer "Weichenstellung" für eine berufliche Entwicklung im mathematisch-technischen Bereich!
Oma und Opa jedenfalls hoffen, dass der Baukasten unseren Raphael ein paar Jahre seines Lebens begleitet und ihn in seiner schulischen Entwicklung etwas helfen kann.
Und wenn der Baukasten diesem Ziel nicht dienen kann, dann geht die Welt auch nicht unter. Dann hat trotzdem wenigstens Opa davon profitiert, denn er hat durch die Beschäftigung
mit dieser Thematik nicht nur frühere Kenntnisse aufgefrischt, sondern auch selbst noch viel dazugelernt. Und Lernen - soviel steht fest - kann auch im Alter nicht schaden.