Lang, lang ist es her, seit im Juli 1959 die Übergabe der Zeugnisse an eine Reihe frischgebackener "Fernmeldemechaniker" erfolgte, die sich zuvor 3 Jahre lang bemüht hatten, diesen Abschluß zu erreichen.
Die 3 Jahre waren anstrengend und für viele mit uns mit Tränen verbunden. Als 14- 16 jährige "halbe Kinder" waren wir der elterlichen Fürsorge plötzlich entrissen und ohne Vorwarnung dem rauhen Alltag im Lehrkombinat des
Fernmeldeamtes Erfurt ausgesetzt. Wir lebten mehrheitlich im Lehrlingswohnheim und hatten lediglich an den knappen Wochenenden die Chance, unsere Eltern und Familienangehörigen zu sehen.
Die ungewohnten Anforderungen in der theoretischen Ausbildung, speziell durch Alex Kayser mit dem Standardsatz "Setzen 5 - Das wird nachgeholt!", aber auch die harschen Worte unseres "Bullrich" (Fritz Heinze)
bei der Aneignung erster Fertigkeiten in der Metallbearbeitung vereinten uns im Sinne einer "Leidensgemeinschaft". Wir knüpften Freundschaften, für manche gab es erste, zarte Berührungen mit dem anderen Geschlecht und
als Klassenverband wuchsen wir in 3 Jahren, die man erst mit zeitlichen Abstand als schön und erlebenswert beschreiben kann, zusammen.
Diese Gemeinschaft hielt - was man kaum glauben mag - im Grunde bis heute, obwohl wir innerhalb der ehemaligen DDR und erst recht danach, verstreut wurden und die meisten von uns auch den ursprünglich
gemeinsamen Arbeitgeber (Deutsche Post) im Laufe ihres Lebens wechselte. In den ersten Jahren nach der Lehre kamen wir mit relativ großen zeitlichen Abständen von etwa 10 Jahren nur selten zusammen.
Aber schon in den 70-er Jahren änderte sich dies. Im regelmäßigen Abstand von 5 Jahren trafen wir uns bis zur Wende zu Klassentreffen, die in aller Regel in postalischen Ferieneinrichtungen des Post- und Fernmeldeamtes Weimar und des
Fernmeldeamtes Erfurt stattfanden. Wir erinnern uns an schöne gemeinsame Stunden in Vesser, in Frauenwald und in Bad Berka, erinnern uns daran, dass an diesen Treffen auch ehemalige Mitlehringe, Ausbilder, Lehrer und Erzieher teilnahmen,
die heute nicht mehr unter uns weilen können. Der gefürchtete Alex Kayser und der beliebte Egon Funk als ehemalige Lehrer feierten mit dem gefürchteten Fritz Heinze und dem mildgestimmten Martin Irmscher als Ausbilder zusammen mit uns.
Wir entdeckten, dass wir von manchen ein falsches Bild hatten und korrigierten dieses gern, lernten begreifen, dass sie alle unser Bestes wollten und sich für uns und unsere Entwicklung eingesetzt haben.
Nach der Wende hatten wir alle erst einmal genug mit uns selbst zu tun und Klassentreffen standen auf der Liste der Prioritäten nicht unbedingt ganz oben. Dennoch gelang es uns schon 1999 erneut, in Frauenwald, wo
das ehemalige Ferienheim des Fernmeldeamtes Erfurt vom Ferienwerk der Telekom übernommenen worden war, das erste Klassentreffen nach der Wende zu organisieren. Wir freuten uns darüber, dass wir von den
zu DDR-Zeiten in den Westen übergesiedelten ehemaligen Mitlehrlingen Winfried Gerstner in unserer Mitte begrüßen konnten, ärgerten uns zugleich, das andere (Peter Hengstler, Dietmar Burgstädt) trotz intensiver
Suche nicht auffindbar waren. Zu diesem Treffen weilten Alex Kayser und Edith Cherony noch unter uns und auch Karl Kühner schaute mal kurz zu uns herein. Wir gingen mit dem Versprechen auseinander, uns künftig
wieder öfters zu Klassentreffen zusammen zu finden und Dieter Böse hielt dieses Versprechen mit der Organisation des Treffens 2006 in Erfurt.
Wir erinnern uns an unsere Fahrt mit der historischen Straßenbahn durch Erfurt und an den Besuch der Martinsgasse, in der einst unsere Lehrzeit begann. Wir erinnern uns an einen schönen Abend im Gasthaus "Zur Henne" und an den
dort gefassten Entschluss, künftige Klassentreffen gemeinsam mit unseren Ehepartnern zu begehen.
Mit dem Jahr 2007 haben wir alle das Rentenalter erreicht und damit wuchsen Zeit und Muße, uns von nun an häufiger zu Klassentreffen zu versammeln. Es folgten die Treffen in Aschara (2008 und 2011),
das Treffen im Hufhaus im Harz (2014), das Treffen an der Talsperre Hayda (2016), das Treffen in Weimar (2018) und schließlich in Erfurt (2019). An alle diese Treffen erinnern wir uns gern und es ist schon bemerkenswert,
dass wir uns nach so langer Zeit noch immer gern und jedesmal erwartungsvoll treffen, um gemeinsam zu feiern.
Und auch im September 2019 sind wir in Erfurt mit der festen Absicht auseinander gegangen, dass wir uns - wenn wir es schaffen - im September 2021 aus Anlaß des 65. Jubiläums unseres Lehrbeginns wiedersehen wollen.
Inzwischen haben wir alle die 70 weit überschritten und gehen mit riesigen Schritten auf die 80 zu. Wir bedauern, dass manche, die einst unsere Mitlehrlinge oder Lehrenden waren und zum Teil noch vor Jahren mit uns feiern konnten,
es nicht geschafft haben. Ursula Reusche, Gudrun Baumann, Heide Tanz, Dieter Böse, Martin Irmscher, "Bimbo" Bienert, Fritz Heinze, Alex Kayser, Egon Funk, Edith Cherony und viele andere gehören dazu.
Viele von uns haben
zwischenzeitlich ihre Lebenspartner verloren, kämpfen gegen Krankheit und Leid.
Und manche sind uns im Laufe der Zeit aus dem Auge geraten, sind "verschollen" oder wollen es auch nur sein.
Und trotzdem eint die übergroße Mehrheit von uns der Wille, die Erinnerung an eine schöne Zeit -so lange es geht- aufrecht zu erhalten. Und uns eint die Erfahrung, dass man Freundschaften auch dieser Art nicht hoch genug schätzen kann
und dass sie uns mit zunehmenden Alter nicht immer weniger, sondern immer mehr geben.
Und nun, im Jahre 2022, haben wir es sogar geschafft, noch einmal ein Klassentreffen durchtzuführen. Anläßlich des
66. Jahestages unseres Lehrbeginns im Jahr 1956 trafen wir uns taggenau am 01.09.2022 in Mühlhausen.
Der Kreis der Teilnehmer ist gegenüber früheren Klassentreffen kleiner geworden. Alters- und krankheitsbedingte Probleme
verhindern, dass wir uns in gößerer Zahl treffen
Aber die Tatsache, dass sich noch immer 14 Personen, die allesamt das 80. Lebensjahr erreicht oder überschritten haben, zu einem
Klassentreffen der Lehrlinge versammeln, die 1956 (!) ihre Ausbildung begannen, ist schon etwas ganz besonderes. Und das Treffen in
Mühlhausen war nicht nur ein Wiedersehen von Menschen, es war auch eine Wiederbegegnung mit unserem Beruf "Fernmeldemechaniker",
der heute nur noch in einem Museum nacherlebt werden kann.
Etwas mehr vom letzten Klassentreffen in Mühlhausen (2022) findet ihr HIER
Und wer sich noch intensiver mit uns ehemaligen Fernmeldemechanikerlehrlingen beschäftigen will, der kann uns gerne anrufen oder eine EMail senden.
Von allen in den letzten 25 Jahren durchgeführten Klassentreffen gibt es Bild- und Videomaterial, welches bei Bedarf und nach Rücksprache gern eingesehen werden kann.