Wir und die Post

- Unser Leben bei der und für die Post -

Die schwülstig klingende Überschrift dieser Seite "Wir und die Post - Unser Leben bei der und für die Post" kann man nur verstehen, wenn man die Geschichte unserer Familie etwas näher kennt.
Mit Beginn der Lebensphase, in der ein Mensch anfängt, eigene Vorstellungen zur Gestaltung seiner Zukunft zu entwickeln, war Peter in einer Familie verankert, die sich als eine echte Postlerfamilie verstand. Peters Vater - ursprünglich als Stellmacher tätig- war im 2. Weltkrieg zu einer in Nohra (bei Weimar) stationierten Nachrichteneinheit einberufen worden und hatte dort erste Berührungen zum Feldnachrichtenbau gesammelt. Darauf aufbauend hatte er nach dem Krieg und seiner Kriegsgefangenschaft in Bad Kreuznach eine Beschäftigung als Ferneldebauarbeiter in Weimar bekommen.Peter war sehr stolz darauf, dass es sein Vater geschafft hatte, sich vom einfachen Fernmmeldebauhandwerker aus eigener Kraft zum Abteilungsleiter Bau beim Fernmeldeamt Weimar hochzuarbeiten. Die väterliche Verbindung zur Post in ihrer Einheit von "gelber Post" (Post- und Zeitungswesen) und "grauer Post" (Fernsprech- und Fernschreibwesen) hatte bewirkt, dass Peters Bruder Wolfgang und Peters Schwester Waltraud Lehrstellen bei der Post bekommen hatten und zu Postbetriebsfacharbeitern ausgebildet worden waren. Und auch im weiteren familiären Umfeld gab es Verbindungen zur Post, denn Onkel Arno und Onkel Kurt, als auch deren Kinder Karl und Elfriede waren bei der Post beschäftigt.
Als 13-14 jähriger Schüler der Grundschule fühlte sich Peter als Mitglied einer "Postlerfamilie" und es war für ihn fast selbstverständlich, dass er seine Zukunft auch bei der Deutschen Post sah. Sein Vater hatte ihn, wahrscheinlich auch um sein Interesse zu entwickeln, mehrfach mit zu Kontrollgängen in das Fernmeldamt Weimar mitgenommen, so dass er zum erstenmal die dort befindlichen technischen Einrichtungen zu Gesicht bekam. Das Klappern der Wähler in einem riesigen Wählersaal, das Blinken und Summen der Technik in einem Verstärkeramt, das über mehr als 20 Arbeitsplätze verfügende handvermittelte Fernamt, die Telegraphie mit der Telegrammzustellung, die riesige Ortsamtsbatterie im Keller, die raumfüllenden Kabel- Schalt- und Verteilereinrichtungen, die angsteinflößende Stromversorgungstechnik mit riesigen Schaltschränken und Quecksilberdampfgleichrichtern, dass alles war so spannend, dass die Möglichkeit, eine Lehrstelle zum Fernmeldemechaniker zu erhallten, als riesige Chance begriffen wurde. Und als dann im Spätsommer 1959 die Ausbildung geschafft war und Peter seine praktische Tätigkeit im Wählersaal des Fernmeldeamtes Weimar aufnahm, fühlte er sich als Mitglied in die große Postfamilie aufgenommen.

Heide hatte 1959 den Abschluss der 10-klassigen Schule erreicht und war darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Post insbesondere Mädchen für technische Berufe suchte. Als Ausbildungsberufe standen die sogenannten Betriebsfernmelder (späterer Einsatz im Fernamt und als Prüf-und Signaldienstkräfte) und die Fernmeldemechaniker (späterer Einsatz als technische Pfleger) zur Auswahl. Wegen des höheren Schulabschlusses (10.Klasse) bekam sie einen Ausbildungsplatz zum Fernmeldemechaniker, für die im Gegensatz zu Peters Berufsausbildung schon 1959 keine 8-klassigen Schulabgänger mehr angenommen wurden. Als Heide 1963 ihren Lehrabschluss erreichte, wurde auch sie beim Fernmeldeamt Weimar beschäftigt und fühlte sich ebenfalls schnell "familiär" aufgenommen.
 

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Peter 1960 mit der Truppe des Wählersaals

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Heide 1970 mit der Truppe der Nebenstellenpfleger

Die von uns noch immer empfundene und in der heutigen Arbeitswelt kaum mehr vorstellbare Tätigkeit in einer "großen Familie" war es wohl hauptsächlich, die eine tiefe Verbundenheit zu unserem Arbeitgeber entstehen ließ. Das Kennen der Sorgen der Kollegen, das tägliche Miteinander in schönen und weniger schönen Arbeitssituationen, die Hilfe, die man auch unaufgefordert erhielt, das Wir-Gefühl anstelle des heute üblichen egoistischen Ich's, das alles machte die Arbeitswelt von damals unvergleichbar mit der heutigen Arbeitswelt. Und die Negativerscheinungen jener Zeit, wie etwa der geringe Arbeitslohn, die Kämpfe um den Erhalt eines Ferienplatzes, die betrieblichen Pflichtveranstaltungen, die Teilnahme an zum Teil lächerlich wirkenden Wettbewerbs- und Verpflichtungsbewegungen usw. wurden kollektiv verkraftet. Und gemeinsames Feiern zu allen passenden und mitunter auch unpassenden Gelegenheiten schweißte über Jahre hinweg Menschen zusammen und verband sie in ihren Hoffnungen und Enttäuschungen gleichermaßen. Einem Wermutstropfen gleich kam für Heide die Entscheidung, dass sie mit Peters Übernahme einer mittleren Leitungsfunktion als Dienststellenleiter die gerade lieb gewonnene Tätigkeit als technischer Pfleger im Wählersaal verlassen musste, weil Ehepartner nicht in einem direkten Unterstellungsverhältnis zusammen arbeiten durften. Sie wurde in den Außendienst versetzt und gehörte von nun an zum Bereich des Nebenstellenpflegedienstes.

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Peter im Zentralamt für Berufsbildung in Berlin (1969)

Die eingangs erwähnte Postfamilie Zeh entwickelte sich in den 50er und 60er Jahren quantitativ und qualitativ weiter. Peteres Geschwister und Peter selbst hatten Lebenspartner gesucht und gefunden, die allesamt auch bei der Post im Bezirk Erfurt beschäftigt waren. Peters Bruder Wolfgang und Schwager Dieter qualifizierten sich und schlossen Fach- und Hochschulausbildungen erfolgreich ab. Und auch die jeweiligen Ehepartner ruhten sich nicht aus, qualifizierten sich trotz der Pflichten für die Entwicklung und Erziehung der eigenen Kinder auch beruflich.
Auch Peter hatte mit seinem Abschluß als Diplom-Ingenieurökonom im Fernstudium an der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden eine relativ hohe berufliche Qualifikation erworben und mit seinen Tätigkeiten beim Zentralamt für Berufsbildung und beim Ministerium für Post- und Fernmeldewesen in Berlin wichtige berufliche Erfahrungen gesammelt. Als es mit der versprochenen Wohnung in Berlin nichts wurde und er 1971 als Stellvertreter des Leiters für das neu geschaffene Post- und Fernmeldeamt Weimar berufen wurde, war die "Postfamilie Zeh" in den Ämtern und Einrichtungen der Deutschen Post im Bezirk Erfurt gewissermaßen zu einer Institution geworden.
In den Jahren ab 1971 waren
- Schwager Dieter bei der Bezirksdirektion Deutsche Post in Erfurt
- Peter und seine Frau Heide sowie Onkel Arno, und Cousine Elfriede beim Post- und Fernmeldeamt Weimar
- Schwester Waltraud bei der Betriebsschule der Deutschen Post in Erfurt
- Bruder Wolfgang beim Bahnpostamt Erfurt
- Vater Karl, Schwägerin Hannelore und Cousin Karl beim Fernmeldebauamt Erfurt
beschäftigt, Wolfgang, Dieter und Peter begleiteten sogenannte Führungsfunktionen. Und es bedarf keiner besonderen Erklärung, dass fast jeder Geburtstag, jedes Fest und jede Familienveranstaltung immer auch zu einer Art Dienstbesprechung entartete.

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Peter bei einer Dienstbesprechung bei der BDP Erfurt

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Peter bei der Durchführung eines Dienstjubiläums im FMA Erfurt

Nach Übernahme der Funktion als Stellvertreter des Leiters für den Bereich Fernsprech- und Fernschreibwesen beim PFA Weimar hatte sich Peter gut eingearbeitet, war mit sich und der Welt zufrieden und hatte die Perspektive vor Augen, irgendwann zum Leiter des PFA Weimar aufzusteigen. Da wurde er 1974 mit der Forderung konfrontiert, dass er als Stellvertreter des Leiters im Fernmeldeamt Erfurt benötigt würde und man die Übernahme dieser Tätigkeit durch ihn erwarte. In jener Zeit wurde Peter auch daran erinnert, dass es zu den Pflichten eines Führungskaders bei der Deutschen Post gehöre, mit den Sicherheitsorganen der DDR (Polizei, NVA, Zoll , MfS) eng zusammen zu arbeiten. Aus der Wahrnehmung dieser vermeintlichen Dienstpflicht entwickelte sich dann innerhalb weniger Monate Peters Verpflichtung, dem MfS auf Anforderung und unter Beachtung konspirativer Arbeitsformen schriftliche und unbedingt wahrheitsgemäße Zuarbeiten zu leisten. Das man mit der Unterschrift unter diese Verpflichtungserklärung ein sogenannter "Inoffizieller Mitarbeiter des MfS (IM)" wurde und das dies dazu ausreichen könnte, später als Denunziant, Spion und Verräter beschimpft zu werden und für den Öffentlichen Dienst nicht mehr tragbar zu sein, hätte sich Peter auch beim besten Willen nicht vorstellen können.

Peter arbeitete sich in die neue Funktion als Stellvertreter Betrieb und Technik des Fernmeldeamtes schnell ein und sah auch hier der Übernahme der Amtsleiterfunktion in absehbarer Zeit entgegen. Dann aber entwickelte sich eine persönliche Beziehung zu einer Dienstkollegin, was aus damaliger Sicht keine persönliche Angelegenheit, sondern eine moralisch verwerfliche Handlung eines Parteimitglieds darstellte. Öffentliches Parteiverfahren und Strafversetzung waren die Folge, wenngleich die daraus resultierende Übernahme der Funktion als Leiter des Post- und Fernmeldeamtes Weimar keine Strafe im eigentlichen Sinne darstellte.

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"Plandiskussion" beim PFA Weimar

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Übergabe der Wanderfahne des Ministers an das PFA Weimar (1988)

In den Jahren von 1980 bis 1990 arbeiteten Heide und Peter wieder gemeinsam beim Post- und Fernmeldeamt Weimar, sie im Bereich des Nebenstellenpflegedienstes und er als Leiter der Einrichtung. Die langjährige Tätigkeit in leitenden Funktionen und die Erfahrungen Peters aus den Jahren seiner Tätigkeit beim Ministerium für Post- und Fernmeldewesen in Berlin brachten es mit sich, dass Peter die an ihn gestellten Anforderungen relativ leicht erfüllen und das PFA Weimar in eine positive Außendarstellung versetzen konnte. Die zweimalige Auszeichnung des PFA Weimar als Sieger im Wettbewerb aller Ämter des Post- und Fernmeldewesens der DDR und die dazu gehörende Übergabe der Wanderfahne des Ministers waren die sichtbare Bilanz. Trotz dieser scheinbaren Erfolge waren auch im Post- und Fernmeldeamt Weimar die Probleme und Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Tagesaufgaben immer größer geworden. Die Einhaltung vorgegebener Qualitätskennziffern bei gleichzeitig immer kleiner werdenden Investitionsvolumen und technischen Zuwachsraten, Einsparungsziele bei Kraftstoff, die die tägliche Zustellung der Postsendungen und Zeitungen kaum noch zuließen, Betriebskostenminimierungen an der Grenze der Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung eines normalen Betriebsdienstes, waren einige von vielen Vorzeichen der bankrotten DDR-Wirtschaft.
Und so nahmen die Dinge ihren Lauf, manches kam anders, als wir es erwartete hattem, aber wohl alles kam so, wie es kommen mußte.